Mobilfunkantennen in Kirchtürmen sorgen für Ärger
Der Teufel im Haus – die Seele verkauft?
Kirchtürme sind ideale Standorte für 5G-Mobilfunkanlagen. Jetzt wehren sich Gemeinden – etwa Alpnach in Obwalden. Über 90 Meter ragt dort der Turm der Pfarrkirche St. Maria Magdalena in den Himmel. Diesen wollte die Swisscom mit einer Antenne mit 5G-Netzwerktechnologie ausstatten – notabene mit dem Segen des Kirchgemeinderats. 5G spült Geld in die Kirchenkassen. Beispiel Kriegstetten: Dort wollte man mit dem erhaltenen Mobilfunkgeld ein neues Pfarreizentrum finanzieren.
Doch in Alpnach regte sich Widerstand. «Wir mussten zur Kenntnis nehmen, dass der Kirchgemeinderat bereits am 10. September einen Mietvertrag für den Kirchturm mit der Swisscom unterzeichnet hat und dass eine Baueingabe der Swisscom bevorstehe», sagte Einwohnerin Monika Brunner in der «Luzerner Zeitung».
Mobilfunk: Kirche in Alpnach.
Antenne in der Kirche: Ethische Bedenken
Die IG sammelte Unterschriften für eine Petition. «Wir verlangen, dass der Kirchgemeinderat vom Mietvertrag mit der Swisscom zurücktritt und dass er als Grundeigentümer die Baueingabe für die Mobilfunkanlage nicht unterschreibt.» Die Einwohner hatten ethische Bedenken. Man verkaufe «die Seele» und hole den Teufel in die Kirche, hiess es im Dorf. An einer Versammlung hiess es sogar, mit der 5G-Technologie im Kirchtrum könne von der Schweiz aus Kriegsmaterial in anderen Ländern produziert werden.
Die Sorgen vor Gesundheitsgefahren nehmen die Kirchen ernst. Ein angemessener Umgangs mit kirchlichen Gebäuden für nicht kirchliche Zwecke wird gefordert. Insbesondere wegen der Unklarheiten wissenschaftlicher Untersuchungen, Gesundheitsproblemen im Zusammenhang mit der Elektrosensibilität treten die kirchlichen Umweltbeauftragten für eine grosse Sorgfalt im Umgang mit dem Mobilfunk ein.
Schweizer Kirchen in fremden Händen
Auch sei unklar, ob Swisscom in Zukunft in Schweizer Hand bleibe. Die Befürchtung: Schweizer Kirchen geraten über die 5G-Antennen in fremde Hände. Die Kirche wird zur Komplizin für fragwürdige Geschäfte und Machenschaften. In Alpnach hat der Kirchgemeinderat die Verträge mit der Swisscom ob des Protests der Einwohner nun wieder gekündigt.
Zweifellos sind die Kirchen und kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Auseinandersetzung um Mobilfunk und elektromagnetische Strahlung gefordert. Sie müssen sich mit der Technik auseinandersetzen, wie alle anderen Menschen auch. Und sie haben zu entscheiden, ob und wie stark sie selbst den Mobilfunk nutzen wollen. Gerade in der Evolutionsgeschichte spielte der Elektromagnetismus eine wichtige Rolle.
Ablehnung schon vor 15 Jahren
Der Luzerner Kantonsrat Norbert Schassmann, CVP-Kantonsrat und Vizepräsident der Synode der reformierten Landeskirche Luzern wehrte sich bereits im Jahr 2013 gegen eine Mobilfunkantenne, die im Kirchturm der christkatholischen Kirche Luzern geplant war. Die Einrichtung einer Mobilfunkantenne im Kirchturm sei «Zweckentfremdung» und «Machtmissbrauch», so Nobert Schassmann in einem Brief an den Präsidenten der Luzerner Christkatholiken, Pierre Abry.
Bei den Christkatholiken gab es damals keine zentrale Meinung zum Thema. Doch das Bistum Basel hatte im Jahr 2000 in der Frage nach Mobilfunkantennen in Kirchtürmen bereits «zu grosser Zurückhaltung» aufgerufen, wie Synodalverwalter Edi Wigger gegenüber der «Luzerner Zeitung» erklärte.
Bedeutung des Kirchturms
Der Kirchturm hat weder eine theologische Bedeutung noch gehört er als Bauelement unabdingbar zur Kirche dazu. Frühe Kirchen hatten keine Türme. Erst ab dem 8. oder 9. Jahrhundert wurden Kirchtürme gebaut.
Neben dem Glockengeläut hat der Kirchturm aber auch andere Funktionen. Solche, deretwegen er errichtet wurde, als auch solche, zu denen er ob seiner Höhe praktischerweise genutzt wurde. So diente der Kirchturm z.B. auch:
- als Wachturm und war bis ins 19. Jahrhundert Arbeitsplatz des Türmers, des Turmwächters, der nach militärischer Bedrohung und nach Bränden Ausschau hielt
- als Wehr- und Fluchtturm
- in Meeresnähe als Leuchtturm für die Seefahrer (so z.B. der Markusturm in
Venedig) - seit Erfindung mechanischer Uhrwerke auch als Uhrturm
- in jüngerer Zeit als Aussichtsturm
Update: 31. Januar 2021